KOLUMNE
▄▀▄▀▄▀▄▀▄▀▄▀▄
live aus Bern berichtet Gabriel Steiner
Heute hat sich wieder einmal bewahrheitet, dass die Hoffnung stets
zuletzt stirbt. Obwohl ich vorsichtig aufbauen und erst bei sich
wirklich bietender Gelegenheit angreifen wollte, konnte mein Spielgegner
seine schwarzen Steine sehr effizient und harmonisch setzen. Seinem
Mattangriff auf dem Königsflügel konnte ich nur mit dem rechtzeitigen
Rückzug meines Königs entkommen. Er setzte jedoch ungebremst weiteren
Druck auf und brachte mich in grosse und äusserst unangenehme
Bedrängnis, der ich nur mit zeitintensiver Analyse und einigem Opfermut
zu widerstehen vermochte.
Und dann begann
ein eigentliches Martyrium, und ein langwieriges dazu. Aber schliesslich
gelang sowohl Weiss wie Schwarz die relativ schadenfreie Befreiung aus
der gegenseitigen Umklammerung, und das Spiel nahm wieder einen «normalen» Lauf, allerdings mit klaren Vorteilen für meinen Gegner. Nur
dass dieser, 75 jährig, dann plötzlich ermüdete und seine Konzentration
völlig verlor. Mit der Konsequenz, dass er sowohl im 48. als auch im 50.
Zug je eine Figur einstellte und mir so unverhofft wieder einen
uneinholbaren Vorteil verschaffte.
Dies also war heute mein Glück, das
Glück desjenigen nämlich, der trotz momentan klarer Nachteile nicht
sogleich aufgibt. Und da ich ja auch manchmal Pech habe, darf ich mich
heute gewiss auch über dieses vielleicht «unverdiente» Glück freuen.
Glück und Pech im Schach gibt es nicht. Die Gewinner brauchten sich keine Sorgen zu machen, weil der Erfolg ja zuverlässig folgt, und die Verlierer brauchten erst gar nicht zu starten. Das ist das Schöne am Schach: Es geht eben immer noch komplizierter...
AntwortenLöschen